Wie MCLA-158 Petosemtamab Krebsstammzellen angreift und EGFR abbaut

Einleitung: Warum wir neue Ansätze in der Krebstherapie brauchen

Trotz beeindruckender Fortschritte in der onkologischen Therapie bleiben viele Tumorarten therapieresistent – vor allem, wenn sie Mutationen in KRAS oder anderen schwer behandelbaren Signalwegen tragen. Klassische Zytostatika wirken oft unspezifisch und gehen mit erheblichen Nebenwirkungen einher. Zielgerichtete Therapien wie monoklonale Antikörper gegen EGFR (z. B. Cetuximab) wirken nur bei einer Untergruppe von Patienten. Hier setzt ein innovativer therapeutischer Ansatz an: der bispezifische Antikörper MCLA-158 Petosemtamab, entwickelt auf Basis von Tumor-Organoiden.


Was sind bispezifische Antikörper – und warum sind sie revolutionär?

Bispezifische Antikörper (bsAbs) vereinen zwei spezifische Bindungsstellen für unterschiedliche Zielmoleküle in einem Molekül. Dadurch können sie z. B. Tumorzellen mit Immunzellen in Kontakt bringen oder zwei Tumor-relevante Oberflächenrezeptoren gleichzeitig blockieren.

MCLA-158 ist ein sogenannter Common-Light-Chain bsAb und richtet sich gegen:

  • EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor) – zentraler Wachstumsrezeptor, oft überaktiv in Karzinomen.
  • LGR5 (Leucine-rich repeat-containing G-protein coupled receptor 5) – ein Marker für Krebsstammzellen, die das langfristige Tumorwachstum und die Metastasierung antreiben.

Der Clou: Durch die gleichzeitige Bindung an EGFR und LGR5 wird EGFR in LGR5⁺ Tumorzellen gezielt internalisiert und abgebaut, was zu einem effektiveren Therapieansprechen führt – auch bei KRAS-mutierten Tumoren, die als Cetuximab-resistent gelten.


Tumor-Organoide als neues Forschungswerkzeug

Die Entwicklung von MCLA-158 war nur möglich durch den Einsatz von sogenannten Patient-Derived Organoids (PDOs). Diese 3D-Zellkulturen spiegeln die genetische und funktionelle Vielfalt von echten Tumoren wider und erlauben eine patientennahe Testung von Medikamenten – inklusive Wirkstärke und Toxizität.

In der Studie von Herpers et al. (Nature Cancer, 2022) wurde eine große Organoid-Biobank aus kolorektalen Tumoren aufgebaut, darunter viele mit KRAS-Mutationen. Zusätzlich wurden gesunde Kolon-Organoide aus dem umliegenden Gewebe kultiviert, um Off-Target-Effekte frühzeitig zu erkennen.


Wie wurde MCLA-158 entwickelt?

  1. Antikörper-Bibliothek: Über 500 bispezifische Antikörper gegen Kombinationen aus WNT-Signalkomponenten (LGR5, RNF43, ZNRF3) und RTKs (EGFR, HER3) wurden aus Phage-Displays generiert.
  2. High-Content-Screening: Die Wirkung dieser bsAbs wurde systematisch in PDOs getestet. Dabei wurden nicht nur Wachstumsraten, sondern auch 3D-Morphologien und Stammzellmarker analysiert.
  3. Selektion von MCLA-158: Ein bsAb mit besonders starker wachstumshemmender Wirkung in über 50 % der getesteten PDOs – darunter viele KRAS-mutierte Modelle – wurde ausgewählt: MCLA-158.

Besonders bemerkenswert: MCLA-158 wirkte kaum auf gesunde LGR5⁺ Kolonorganoide, zeigte jedoch eine hochselektive Wirkung auf Tumorstammzellen.


Wie wirkt MCLA-158 auf molekularer Ebene?

  • EGFR-Blockade: Die EGFR-bindende Domäne von MCLA-158 verhindert wie Cetuximab die Ligandenbindung und blockiert so Wachstumsreize.
  • LGR5-vermittelte Internalisierung: Der LGR5-bindende Anteil bewirkt eine rasche Internalisierung des gesamten Antikörper-Rezeptor-Komplexes – EGFR wird dadurch in der Zelle abgebaut.
  • Abschaltung von MYC: Dies führt zur Reduktion zentraler Onkogene wie MYC, selbst bei intakter WNT-Signalkaskade durch APC-Mutationen.
  • G1-Arrest & Apoptose: In PDOs führte MCLA-158 zu Zellzyklusarrest, Apoptose und langfristiger Hemmung der Organoidregeneration.

Vergleich mit Cetuximab

MerkmalCetuximabMCLA-158
ZielstrukturEGFREGFR + LGR5
Wirksam bei KRAS-MutationenNeinJa (teilweise)
EGFR-DegradationNeinJa (LGR5-abhängig)
Wirkung auf StammzellenGeringStark selektiv gegen LGR5⁺ CSCs
Wirkung auf NormalgewebeDeutlichMinimal

In präklinischen Modellen war MCLA-158 bis zu 30-fach potenter als Cetuximab. Besonders auffällig war die Fähigkeit, die Metastasierung vollständig zu unterbinden – ein Novum bei Antikörpertherapien.


Was bedeutet das für die Klinik?

  • FDA Breakthrough Therapy Designation: Petosemtamab erhielt diesen Status für Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich.
  • Phase I/II Studien zeigen Ansprechraten von über 37 %, auch bei vorbehandelten Patienten.
  • Personalisierte Anwendung: Organoid-Tests könnten helfen, vorab zu erkennen, welche Patienten auf MCLA-158 ansprechen – basierend auf dem Anteil der LGR5⁺ Tumorzellen.

Fazit: Die Zukunft gehört den intelligenten Antikörpern

MCLA-158 ist ein Paradebeispiel für die nächste Generation der Krebstherapie:

  • Zielgerichtet
  • Stammzell-spezifisch
  • Auf Basis menschlicher Tumororganoide entwickelt
  • Wirksam auch bei schwierigen Mutationen
  • Mit hoher Selektivität und geringer Toxizität

In Kombination mit Organoid-Screening als diagnostisches Tool könnte diese Strategie zu einem Wendepunkt in der Präzisionsonkologie führen – besonders in Bereichen mit bisher limitierten Therapieoptionen.

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