Hunderte Krebsstudien erwähnen Zelllinien, die offenbar nicht existieren

Einleitung
Die Integrität wissenschaftlicher Forschung steht erneut im Fokus, da eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass viele Krebsforschungsarbeiten Zelllinien erwähnen, die anscheinend nicht existieren. Dies wirft Fragen über die Authentizität der veröffentlichten Forschungsergebnisse auf und könnte ein Hinweis auf die Aktivitäten sogenannter Paper Mills sein.

Die Studie
Die Studie, die letzte Woche im International Journal of Cancer veröffentlicht wurde, untersucht acht Zelllinien, die in 420 veröffentlichten Artikeln von 2004 bis 2023 durchweg falsch geschrieben wurden. Während einige dieser Fehler auf unbeabsichtigte Vertipper zurückzuführen sein könnten, deuten die Details in 235 dieser Arbeiten darauf hin, dass die beschriebenen Experimente möglicherweise nie durchgeführt wurden.

Schwerwiegende Bedenken
Jennifer Byrne, Hauptautorin der Studie und Krebsforscherin an der University of Sydney, erklärt: „Leider sieht es so aus, als ob eine massive Erfindung von Daten und Experimenten vorliegt, die wahrscheinlich nie stattgefunden haben.“ Solche erfundenen Zelllinien sind bereits in der wissenschaftlichen Literatur zitiert worden und könnten andere Wissenschaftler in die Irre führen.

Reaktionen aus der Wissenschaft
Chao Shen, Zellbiologe an der Wuhan University und stellvertretender Direktor des China Center for Type Culture Collection, betont die Dringlichkeit der Situation: „Diese Enthüllungen unterstreichen die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen, um die Herausforderungen, die durch diese Zelllinien für die Forschungsintegrität und Reproduzierbarkeit entstehen, zu bewältigen.“ Standardisierte Berichterstattung über Zelllinien sei von entscheidender Bedeutung, um solche Probleme zu verhindern.

Weitere Probleme mit Zelllinien
Bereits in den letzten Jahren wurde festgestellt, dass viele menschliche Zelllinien durch andere, robustere Linien kontaminiert wurden, was die Ergebnisse verfälscht hat. Die neue Studie zeigt jedoch eine andere Art von Mangel auf: die mögliche Fälschung von Zelllinien.

Die Untersuchung
Die Untersuchung begann als Analyse von falsch geschriebenen Zelllinien in Krebsforschungsarbeiten, um festzustellen, ob die Linien kontaminiert oder falsch identifiziert wurden. Einige Fehler könnten von unerfahrenen Autoren gemacht worden sein. Doch die Forscher wurden misstrauisch, als eine Untergruppe dieser Arbeiten dieselben sieben Zelllinien auf verschiedene Weise erwähnte, als ob sie sich von ähnlich geschriebenen, bekannten Zelllinien unterscheiden würden. Beispielsweise wurden in einigen Arbeiten unterschiedliche Ergebnisse für Experimente berichtet, die sowohl die falsch als auch die korrekt geschriebenen Namen derselben Zelllinie verwendeten.

Weitere Auffälligkeiten
Diese Arbeiten wiesen auch andere Auffälligkeiten auf: Sie enthielten keine Beschreibung, wie die fraglichen Zelllinien abgeleitet wurden, und boten keinen genetischen Fingerabdruck, der normalerweise von Forschern verwendet wird. Außerdem gaben mehrere Arbeiten an, dass die Zelllinien von drei großen Zelllinienbanken bezogen werden könnten, aber keine dieser Linien war in deren Verzeichnissen zu finden.

Blick in die Zukunft
Die Forscher identifizierten insgesamt 235 solche Arbeiten in 150 Zeitschriften, darunter auch hochrangige Publikationen wie Cancer Letters und Oncogene. Die meisten Autoren dieser Arbeiten sind in China ansässig und mit Krankenhäusern verbunden, die zuvor als Kunden von Paper Mills identifiziert wurden. Diese Paper Mills verkaufen Autorschaften an wissenschaftlichen Arbeiten, die oft gefälscht oder minderwertig sind.

Jennifer Byrne vermutet, dass die Autoren der Paper Mills möglicherweise die falsch geschriebenen Namen aus ansonsten legitimen Arbeiten kopierten, ohne die richtigen Schreibweisen zu kennen, um keine größere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Die verdächtigen Merkmale sind wirklich unwahrscheinlich, dass sie von einem echten Forscher gemacht wurden“, sagt sie. „Ich habe vor 30 Jahren mit Zelllinien gearbeitet und kann ihre Namen immer noch auswendig.“

Diese Arbeiten könnten nur die Spitze des Eisbergs sein, da seit Januar 2023 mehr als 50.000 wissenschaftliche Artikel über menschliche Krebszelllinien veröffentlicht wurden. Byrne’s Team identifizierte insgesamt 23 falsch geschriebene Zelllinien, konzentrierte sich jedoch auf acht, die in 420 Arbeiten erwähnt wurden, um die Arbeitsbelastung zu bewältigen. Ihr Team plant weitere Untersuchungen und hofft, dass andere Forscher ebenfalls ähnliche Überprüfungen vornehmen werden. „Wir sind eine kleine Gruppe, und das Durchgehen dieser Arbeiten ist sehr mühsam.“

Fazit
Die Studie hebt ein ernstes Problem in der Krebsforschung hervor und zeigt die Notwendigkeit für verstärkte Anstrengungen zur Sicherstellung der Forschungsintegrität. Die Wissenschaftsgemeinschaft muss gemeinsam handeln, um sicherzustellen, dass solche Täuschungen nicht weiterhin den Fortschritt in der Krebsforschung behindern.

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