Neue zielgerichtete Therapien für das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) mit EGFR-Mutationen sind ein zentrales Thema in der modernen Onkologie. Eine davon ist Amivantamab, ein bispezifischer Antikörper gegen EGFR und MET. Doch nicht jede vielversprechende Substanz überzeugt auch in der Bewertung durch klinisch fundierte Expertengremien. So hat die niederländische BOM-Kommission in ihrer Bewertung vom April 2025 kein positives Votum für Amivantamab plus Chemotherapie nach Progression unter Osimertinib ausgesprochen. Warum?
🧬 Hintergrund und Studiendaten
In der MARIPOSA-2-Studie, einer internationalen Phase-III-Studie, wurde Amivantamab kombiniert mit Carboplatin und Pemetrexed bei Patient:innen mit EGFR-mutiertem, metastasiertem NSCLC nach Progression unter Osimertinib untersucht. Die Standardbehandlung in dieser Situation ist in den Niederlanden derzeit alleinige Chemotherapie – was die Vergleichsgruppe realitätsnah macht.
📈 Studienergebnisse im Überblick
- Medianes progressionsfreies Überleben (PFS):
- Amivantamab + Chemo: 6,3 Monate
- Nur Chemotherapie: 4,2 Monate
- HR: 0,48 (p < 0,001)
→ +9 Wochen PFS, signifikant – aber aus Sicht der BOM nicht ausreichend.
- Gesamtüberleben (OS):
- 17,7 vs. 15,3 Monate, HR: 0,73 – nicht signifikant zum Zeitpunkt der Interimsanalyse 2
- Toxizität:
- ≥ Grad 3 Nebenwirkungen bei 72 % (Amivantamab) vs. 48 % (Chemo)
- Hohes Maß an Knochenmarktoxizität, Hautausschlag (71 %, davon 10 % ≥ Grad 3) und venösen Thromboembolien (10 %)
- Kosten:
- Allein Amivantamab: ca. 73.669 € pro Patient (bei 9 Zyklen)
- Exklusive der Kosten für Chemotherapie
❌ Warum kein positives Votum laut BOM?
Die PASKWIL-Kriterien der niederländischen BOM-Kommission für eine positive Empfehlung bei palliativer Therapie mit >12 Monaten OS in der Kontrollgruppe erfordern:
- >16 Wochen PFS-Gewinn und HR < 0,70
- ODER ≥10 % OS-Zuwachs nach 3 Jahren (bei ausreichender Patientenzahl at risk)
👉 Fazit der BOM:
Obwohl statistisch signifikant, war der klinische Nutzen in der PFS zu gering (nur 9 Wochen Differenz) und die OS-Daten zum Bewertungszeitpunkt nicht überzeugend. Zudem ist die Toxizität hoch, bei gleichzeitig extremen Therapiekosten.
🧠 Was bedeutet das für die klinische Praxis?
- Für die Zweitlinientherapie nach Osimertinib bleibt laut BOM alleinige Chemotherapie die bevorzugte Option.
- Amivantamab + Lazertinib wird derzeit in der MARIPOSA-1-Studie in der Erstlinie untersucht – diese Daten bleiben abzuwarten.
- Die Bewertung zeigt erneut: nicht jede Innovation bringt sofort klinischen Mehrwert.
📌 Fazit
Amivantamab ist ein innovatives Medikament mit klarer biologischer Rationale – doch klinischer Nutzen, Nebenwirkungen und Kosten müssen im Verhältnis stehen. Die aktuelle BOM-Bewertung mahnt zur Zurückhaltung und zeigt, wie wichtig unabhängige, evidenzbasierte Prüfmechanismen wie die PASKWIL-Kriterien sind.