Die Onkologie ist eines der dynamischsten medizinischen Fachgebiete – fast monatlich kommen neue Therapien auf den Markt. Doch mit jeder neuen Behandlung stellt sich die zentrale Frage: Wie groß ist der klinische Nutzen – und rechtfertigt er die Kosten? Angesichts steigender Gesundheitsausgaben sind transparente und unabhängige Bewertungssysteme unerlässlich. Zwei wegweisende Initiativen in diesem Bereich sind die ESMO-Magnitude of Clinical Benefit Scale (ESMO-MCBS) und die BOM-Kriterien der niederländischen Fachgesellschaft für Onkologie (NVMO).
🎯 Was ist die ESMO-MCBS?
Die European Society for Medical Oncology (ESMO) hat im Jahr 2015 die Magnitude of Clinical Benefit Scale (MCBS) eingeführt, um den klinischen Nutzen neuer Krebstherapien objektiv zu bewerten. Seit 2023 wird das System auch auf hämatologische Erkrankungen angewandt (ESMO-MCBS:H), in Kooperation mit der European Hematology Association.
Die Skala basiert auf objektiven Endpunkten wie:
- Gesamtüberleben (OS)
- Progressionsfreies Überleben (PFS)
- Hazard Ratios
- Ansprechrate
- Lebensqualität
- Toxizität
- Prognose der Erkrankung
🧾 Bewertungsskala:
- Kurative Therapien: A (höchster Nutzen) bis C
- Nicht-kurative Therapien: 5 (höchster Nutzen) bis 1
Therapien mit einer Bewertung von A oder B (kurativ) bzw. 4 oder 5 (nicht-kurativ) gelten als „substanzieller Nutzen“ und können eine schnellere Erstattungsprüfung auslösen.
📌 Anwendungsbereiche der ESMO-MCBS:
- Integration in klinische Leitlinien von ESMO und der WHO
- Verwendung durch HTA-Institutionen in verschiedenen Ländern
- Einsatz in der ärztlichen Ausbildung und Patientenberatung
- Entscheidungshilfe im interdisziplinären Tumorboard
🇳🇱 Die BOM-Kriterien aus den Niederlanden
Die niederländische BOM-Kommission der NVMO hat ein eigenes Bewertungsverfahren etabliert, das sogenannte PASKWIL-Kriteriensystem, das den Fokus nicht nur auf klinische Wirksamkeit, sondern explizit auch auf Kosteneffektivität und praktische Umsetzbarkeit im Gesundheitssystem legt.
🔍 Auswahl relevanter BOM-Kriterien:
- Mindestens 3 Monate Überlebensvorteil bei metastasierter Erkrankung
- Relevante Verbesserung der Lebensqualität
- Akzeptables Nebenwirkungsprofil
- Zuverlässige Evidenz aus Phase-III-Studien
- Angemessene Kosten im Verhältnis zum Nutzen
Ein positives Votum der BOM-Kommission beeinflusst maßgeblich die Entscheidung zur Erstattung in den Niederlanden.
📊 Warum sind diese Bewertungssysteme so wichtig?
- Transparenz für Ärzt:innen und Patient:innen
- Priorisierung von Therapien mit echtem klinischen Mehrwert
- Effizienter Ressourceneinsatz im Gesundheitssystem
- Vermeidung unnötiger Kosten ohne Verzicht auf Qualität
Studien zeigen, dass hohe Preise nicht zwangsläufig mit hohem klinischen Nutzen einhergehen. Manche teure Medikamente liefern nur marginale Vorteile, während günstigere Substanzen deutlichen Mehrwert bieten.
In Deutschland gibt es kein Bewertungssystem für hochpreisige onkologische Medikamente, wie wir es aus anderen europäischen Ländern – etwa den Niederlanden – kennen. Das führt dazu, dass in Deutschland viel Geld für Medikamente ausgegeben wird, deren Wirksamkeit unzureichend ist. Dieser Geldverschwendung und der suboptimalen Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten muss ein Ende gesetzt werden.
✅ Fazit
Die Bewertungssysteme ESMO-MCBS und BOM bieten fundierte und objektive Entscheidungsgrundlagen für die Bewertung onkologischer Therapien. Sie unterstützen Ärzt:innen, Patient:innen und Entscheidungsträger dabei, den Fokus auf das Wesentliche zu richten: Behandlungen, die wirklich etwas bewirken.
In einer Zeit begrenzter Ressourcen und wachsender Innovation sind solche Tools unverzichtbar für eine gerechte, effektive und nachhaltige Krebsversorgung.
[…] den PASKWIL-2023-Kriterien für palliative Therapien mit einer medianen OS in der Kontrollgruppe von ≤ 12 Monaten ist für […]