
Die Wahl zwischen oralen und intravenösen (IV) Antibiotika hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Art und Schwere der Infektion, dem Zustand des Patienten und den spezifischen Eigenschaften des Antibiotikums. In diesem Blog möchte ich auf die Vor- und Nachteile der jeweiligen Verabreichungswege eingehen und erklären, warum in vielen Fällen orale Antibiotika bevorzugt werden können.
Bioverfügbarkeit und Aufnahme
Intravenöse Antibiotika bieten eine 100%ige Bioverfügbarkeit, was bedeutet, dass die gesamte Dosis direkt in den Blutkreislauf gelangt. Dies ist bei schweren Infektionen wie Sepsis wichtig, wenn sofort hohe Antibiotikaspiegel erforderlich sind. Orale Antibiotika hingegen haben eine unterschiedlich hohe Bioverfügbarkeit, aber viele moderne Medikamente, wie zum Beispiel Fluorchinolone oder Azithromycin, sind oral fast genauso wirksam wie intravenös, da sie gut vom Körper aufgenommen werden können.
Schwere der Infektion
Bei schwerwiegenden Infektionen oder kritisch kranken Patienten wird meist eine IV-Therapie bevorzugt, da diese schneller wirkt und sicherstellt, dass das Medikament in hohen Konzentrationen am Infektionsort ankommt. Bei weniger schweren Infektionen oder sobald die Infektion unter Kontrolle ist, kann auf orale Antibiotika umgestellt werden. Diese sogenannte «Switch-Therapie» ist in vielen Fällen genauso wirksam und birgt weniger Risiken.
Patientenkomfort und Kosten
Ein großer Vorteil der oralen Antibiotika ist der Komfort für die Patienten. Sie reduzieren die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthalts und vermeiden die Risiken und Unannehmlichkeiten, die mit IV-Zugängen verbunden sind, wie zum Beispiel Venenentzündungen oder Infektionen an der Einstichstelle. Zudem sind orale Antibiotika in der Regel kostengünstiger, sowohl was die Medikamentenkosten als auch die Administrationskosten betrifft.
Umstellung von IV auf oral: Evidenz und Vorteile
Immer mehr Studien zeigen, dass die Umstellung von IV auf orale Antibiotika bei vielen Infektionen, sobald der Patient stabil ist, nicht nur sicher ist, sondern auch weniger Komplikationen verursacht. Dies wurde zum Beispiel bei der Behandlung von Lungenentzündungen und Hautinfektionen beobachtet. In einer aktuellen Meta-Analyse zu Erkrankungen wie Endokarditis, Osteomyelitis oder Bakteriämien wurde festgestellt, dass orale Antibiotika der IV-Therapie nicht unterlegen sind und mit weniger therapiebedingten Komplikationen einhergehen.
Spezifische Infektionen
Bei bestimmten Erkrankungen wie Osteomyelitis oder Endokarditis kann eine initiale Behandlung mit IV-Antibiotika erforderlich sein, um hohe Gewebekonzentrationen zu erreichen. In späteren Stadien kann jedoch auf orale Antibiotika umgestellt werden, vorausgesetzt, dass das Medikament eine gute Bioverfügbarkeit und Gewebepenetration aufweist. Bei Infektionen wie Harnwegsinfektionen oder Cellulitis sind orale Antibiotika oft von Anfang an ausreichend wirksam, insbesondere wenn die Bioverfügbarkeit hoch ist.
Schlussfolgerung
Die Entscheidung zwischen oraler und intravenöser Antibiotikatherapie hängt stets vom klinischen Kontext ab. Bei schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Infektionen mag eine IV-Therapie anfänglich die bessere Wahl sein. In vielen anderen Fällen, insbesondere bei stabilen Patienten oder weniger schweren Infektionen, sind orale Antibiotika jedoch genauso wirksam, komfortabler und kosteneffizienter. Wichtig ist, dass immer die individuellen Umstände des Patienten und die spezifischen Eigenschaften der Infektion berücksichtigt werden. Die Erkenntnis, dass «oral das neue IV» sein kann, hilft nicht nur, die Belastung für die Patienten zu verringern, sondern auch die Gesundheitsressourcen effizienter zu nutzen.