Bispezifische Antikörper (bsAbs) gehören zu den spannendsten Entwicklungen der modernen Onkologie. Sie binden gleichzeitig an Tumorantigene und an T-Zellen (CD3), um eine gezielte Immunreaktion auszulösen. Im Folgenden eine Studienübersicht, basierend auf den neuesten klinischen Daten:
1️⃣ Petosemtamab (MCLA-158) – EGFR/LGR5 bei Kopf-Hals-Karzinomen
- Studientyp: Phase I
- Patienten: rezidiviertes/metastasiertes HNSCC nach Standardtherapie
- Ergebnisse:
- ORR ~37 %
- Dauerhafte Remissionen > 12 Monate möglich
- Toxizität: ähnlich klassischen EGFR-Antikörpern, v. a. Haut und Elektrolyte
- Fazit: vielversprechende Aktivität → Phase II läuft.
2️⃣ Amivantamab – EGFR/MET bei NSCLC
- Studien: CHRYSALIS-2, MARIPOSA-2
- Patienten: NSCLC mit EGFR-Exon20 oder Resistenz nach Osimertinib
- Ergebnisse:
- ORR: 33–45 %
- Median PFS: 6–8 Monate
- Kombination mit Lazertinib verstärkt Wirksamkeit
- Häufige Toxizitäten: Hautausschlag, Infusionsreaktionen, Ödeme
- Fazit: Amivantamab etabliert sich als Standard bei Exon20-mutiertem NSCLC.
3️⃣ Zenocutuzumab – HER2/HER3 bei NRG1-Fusionen
- Studie: eNRGy-Basket-Trial
- Patienten: verschiedene solide Tumoren (NSCLC, Pankreas, Brust) mit NRG1-Fusion
- Ergebnisse:
- ORR ~34 %
- Anhaltende Remissionen bei mehreren Patienten
- Gut verträglich (v. a. milde Haut- und GI-Nebenwirkungen)
- Fazit: Effektiv bei seltenen NRG1-Fusionen → Beispiel für Präzisionsonkologie.
4️⃣ Tebentafusp – gp100/CD3 bei uvealem Melanom
- Studie: Phase III (IMCgp100-202)
- Patienten: metastasiertes uveales Melanom
- Ergebnisse:
- Median OS: 21,7 vs. 16,0 Monate (Kontrolle)
- 1-Jahres-OS: 73 % vs. 59 %
- Nebenwirkungen: häufig CRS, Hautreaktionen
- Fazit: Erster nachgewiesener Überlebensvorteil beim uvealen Melanom.
5️⃣ REGN4018 – MUC16/CD3 bei Ovarialkarzinom
- Studie: Phase I/II
- Patienten: stark vorbehandeltes, platina-refraktäres Ovarialkarzinom
- Ergebnisse:
- ORR: 14–20 %
- CRS meist Grad 1–2 in frühen Zyklen
- Kombinationsstrategien in Prüfung
- Fazit: moderate Aktivität, eher in Kombination vielversprechend.
6️⃣ Mosunetuzumab – CD20/CD3 bei follikulärem Lymphom
- Studie: Phase II
- Patienten: rezidiviert/refraktär (≥2 Vortherapien)
- Ergebnisse:
- ORR 80 %, CR 60 %
- Dauerhafte Remissionen > 2 Jahre
- CRS bei 40 %, meist mild
- Fazit: zugelassen, neuer Standard beim r/r follikulären Lymphom.
7️⃣ Talquetamab – GPRC5D/CD3 beim multiplen Myelom
- Studie: MonumenTAL-1 (Phase I/II)
- Patienten: ≥5 Therapielinien, stark vorbehandelt
- Ergebnisse:
- ORR 73 %
- Anhaltende Remissionen in Langzeit-Follow-up
- Charakteristische Nebenwirkungen: Geschmacksstörungen, Haut/Nägel, CRS
- Fazit: wichtiger neuer bsAb beim Myelom (neben BCMA-Zielen).
8️⃣ Elranatamab – BCMA/CD3 bei multiplem Myelom
- Studie: MagnetisMM-3
- Patienten: r/r Myelom nach ≥3 Therapien
- Ergebnisse:
- ORR 61 %
- CR-Rate 35 %
- Median DOR ~15 Monate
- CRS ~50 %, meist Grad 1–2
- Fazit: bestätigt Wirksamkeit von BCMA-bispezifischen Antikörpern.
9️⃣ Teclistamab – BCMA/CD3 beim multiplen Myelom
- Studie: MajesTEC-1 (Phase I/II)
- Patienten: median 5 Vortherapien
- Ergebnisse:
- ORR 63 %
- Tiefe Remissionen bei vielen Patienten
- Toxizität: CRS, Infektionen (z. T. schwerwiegend)
- Fazit: klinisch verfügbar, hoch wirksam im späten Myelom.
🔟 Epcoritamab – CD20/CD3 bei DLBCL
- Studie: EPCORE NHL-1
- Patienten: rezidiviertes/refraktäres DLBCL
- Ergebnisse:
- ORR 63 %, CR 39 %
- Median DOR ~12 Monate
- CRS meist mild
- Fazit: wirksame Option bei r/r DLBCL, bereits zugelassen in den USA.
📌 Gesamteinschätzung
- Hämatologie: bsAbs (Mosunetuzumab, Teclistamab, Talquetamab, Elranatamab, Epcoritamab) sind bereits klinisch verfügbar und verändern die Praxis.
- Solide Tumoren: erste klare Wirksamkeitssignale bei HNSCC (Petosemtamab), NSCLC (Amivantamab), Ovarial- und seltenen Tumoren (Zenocutuzumab, Tebentafusp).
- Herausforderung: CRS-Management, Infektionsrisiko, Patientenselektion.
- Trend: Kombinationen mit Checkpoint-Inhibitoren und TKIs werden zentrale Forschungsrichtung.