NAD+-Mangel in der Skelettmuskulatur – weniger kritisch als gedacht?

Ein neuer Blick auf die Rolle von NAD+ im Muskelstoffwechsel und Altern

Die Diskussion um Nicotinamidadenindinukleotid (NAD+) hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere im Kontext von Anti-Aging, Energieproduktion und Muskelgesundheit. NAD+ ist ein zentraler Kofaktor im Zellstoffwechsel und wird oft als Schlüssel zur zellulären „Verjüngung“ vermarktet. Doch wie wichtig ist NAD+ wirklich für die Muskelgesundheit?

Eine neue Studie aus Kopenhagen (Chubanava et al., 2025) stellt eine weit verbreitete Annahme in Frage: dass ein Rückgang von NAD+ in der Skelettmuskulatur zu Funktionsverlust und beschleunigtem Altern führt. In einem eleganten Mausmodell wurde das Enzym NAMPT – verantwortlich für die NAD+-Biosynthese – gezielt in erwachsener Skelettmuskulatur ausgeschaltet. Das Resultat: Ein NAD+-Rückgang um 85 %. Doch entgegen aller Erwartungen blieb die Muskelkraft, Ausdauerleistung, mitochondriale Funktion und selbst die altersabhängige Muskelstruktur vollständig erhalten.

NAD+ im Muskel: wichtig, aber nicht unersetzlich?

Die Ergebnisse zeigen, dass Muskelzellen selbst bei stark reduziertem NAD+-Spiegel in der Lage sind, ihre Struktur und Funktion aufrechtzuerhalten. Auch die mitochondriale Atmung – abhängig von NAD+ – war überraschend robust. Die Autoren führen das unter anderem auf einen erhöhten Glykogengehalt und eine adaptive metabolische Flexibilität zurück. So wurde etwa bei starker körperlicher Belastung zwar mehr Laktat gebildet (ein Zeichen erhöhter anaerober Glykolyse), aber die Gesamtleistung blieb unbeeinträchtigt.

Was bedeutet das für NAD+-Supplemente?

Viele Nahrungsergänzungsmittel mit NAD+-Vorstufen wie NMN oder NR (Nicotinamid-Mononukleotid bzw. Nicotinamid-Ribosid) versprechen eine Verbesserung von Muskelkraft, Energie und Langlebigkeit. Die neue Studie zeigt jedoch, dass zumindest die erwachsene Skelettmuskulatur gegenüber NAD+-Verlust sehr widerstandsfähig ist – selbst bei chronischem Mangel. Es bleibt jedoch offen, ob andere Gewebe (z. B. Gehirn, Immunsystem) empfindlicher reagieren und ob NAD+-Supplemente hier doch einen Nutzen bringen könnten.

Ein differenzierter Blick auf Muskelalterung

Mit dem Alter sinkt der NAD+-Spiegel in der Skelettmuskulatur normalerweise um ca. 10–30 %. Interessanterweise simulierte das Mausmodell eine deutlich stärkere Depletion (85 %), ohne dass sich dies negativ auf Kraft oder Struktur auswirkte. Epigenetische Alterungsmarker („Methylierungsuhr“) zeigten ebenfalls keine beschleunigte Alterung. Lediglich die Anzahl zentral platzierter Zellkerne nahm zu – ein mögliches Zeichen für erhöhte Regeneration oder Muskelfaserumbau, dessen Bedeutung aber unklar bleibt.

Fazit

Diese Studie fordert die aktuelle Sichtweise auf NAD+ im Muskel heraus. Trotz starker Depletion bleibt die Muskelgesundheit erstaunlich intakt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass NAD+ bedeutungslos ist – vielmehr zeigt sich, wie anpassungsfähig das Muskelgewebe ist. NAD+-basierte Therapien sollten zukünftig gewebespezifisch betrachtet werden.

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